Sie gilt als Mutter aller Langstrecken-MTB-Marathons, wurde dieses Jahr zum 29. Mal ausgetragen und zählt zu den härtesten MTB Rennen der Welt: Die Grand Raid BCVS. 

Auf der langen Strecke sind 125km und 5025hm zu überwinden! Im BIKE Magazin 5/2018 stand: "Wer die Grand Raid bezwingen will, muss bereit sein durch die Hölle zu gehen!" Ich dachte mir, das klingt spannend und meldete mich an. Natrülich kam da nur die Langstrecke in Frage.

Erster kleiner Schreck: Die Startgebühren...ganz schön teuer. Aber was solls, man lebt ja nur einmal!

Schon Wochen vorher stieg die Freude auf dieses Event. Am 18. August war es dann endlich soweit: Früh um vier klingelte der Wecker. Frühstücken, anziehen, Rucksack packen und los ging es in den Startort Verbier. Das Autothermometer zeigte 12°C an...bissl frisch, aber am ersten Anstieg wird's schon warm werden. Da es meine erste Teilnahme war, stand ich im Startblock ziemlich weit hinten. "Aber so kann ich am ersten Berg bissl überholen.", dachte ich mir!

Pünktlich halb sieben ertönte das Startsignal und los ging es. Der erste Anstieg hatte schonmal gute 700hm, ausreichend um warm zu werden. Nach kurzer Zeit fand ich einen sehr schönen ruhigen Rythmus, sodass die Kraft nicht gleich am ersten Berg verpulvert wird. Und so überholte ich langsam aber sicher einen Fahrer nach dem anderen. Es lief richtig gut. Am Gipfel angekommen, eröffnete sich ein Panoramader Extraklasse: Die Berge im Licht der aufgehenden Sonne, unterhalb des Gipfels ein Wolkenmeer, einfach traumhaft.  

Morgenstimmung am ersten Gipfel

Die Beine fühlten sich noch wie frisch an! Apropos frisch: Auf dem Tacho standen noch 5,5°C. Und das mit kurzer Hose und T-Shirt...Es half nichts, es ging in die Abfahrt, erste einige Kilometer fast eben hin, dann über einen schönen Trail und schließlich wurde es schön steil mit vielen Serpentinen. Da glühten die Bremsen! Am Ende schmerzten die Beine und vorallem Arme mehr als nach dem Anstieg. 

Biken im Morgenlicht

Dann folgte auch schon der zweite Anstieg, diesmal waren "nur" 270hm zu überwinden. Schnell fand ich meinen Rythmus wieder. Damit war dieser Berg sehr gut fahrbar. Kurz vorm Gipfel der Hinweis "Noch 100km". Yeah! Dann ging es in die nächste kurze Abfahrt mit kurzen Gegenanstieg. Alles lief noch super, ich war gut dabei. Ich fuhr immer mit den gleichen 5-10 Fahrern zusammen, allerdings nicht so richtig als Gruppe. Am Anstieg war ich meist bissl schneller, in der Abfahrt die. 

Dann kam die nächste Abfahrt. Und was für eine...Trotz blockierten Hinterrad wurde ich immer schneller...Verlor kurz die Kontrolle übers Bike, ein Wunder, dass es mich bei gut 40km/h nicht runter geschmissen hat. Irgendwie fing ich es wieder. Am Ende folgten ein paar Treppen, bevor es in den nächsten kurzen Anstieg ging. In der Abfahrt verlor ich einige Plätze, die ließen sich im nächtsen Anstieg nicht mehr ganz so gut wieder gut machen. 300hm war es diesmal. Ich brauchte länger, um wieder das richtige Tempo zu finden. Nun merkte ich langsam die Beine. 

Dann nächste Abfahrt, nächster Anstieg. An der Verpflegungsstelle hielt ich diesmal etwas länger an: Brille putzen, Essen, trinken. Ja was esse ich eigentlich am besten? Bis jetzt gabs zwei Gels, auf etwa 50km. Naja, eine Banane reicht erstmal. Der Berg hatte nun 440hm, die Anstiege werden länger. Es ließ sich trotz schmerzender Beine noch ganz gut fahren und ich konnte wieder paar Fahrer überholen. Doch als sich der schöne Forstweg plötzlich in einen feuchten, zähen Trail wandelte, verließen mich die Kräfte. Es fiel mir zusehends schwerer genug Druck aufs Pedal zu bringen. 

Auf dem Trail nach Mandélon

Aber dann kam endlich wieder eine Abfahrt, die schön rasant zu fahren war. Am Ende erreichte ich den tiefsten Punkt des ganzen Rennens, mit 1220m immer noch höher als der Fichtelberg! Und dann, dann kam der Hinweis "Noch 60km". Herrlich, die Hälfte hab ich schon geschafft! Aber es wartete bereits der nächste Anstieg. Mit 1060hm war es auch der zweilängste! Also runterschalten und 

gemütlich hochkurbeln. Ich war nun an dem Punkt angekommen, wo die meisten Rennen für mich schon zu Ende sind. Und genau bis hierher hat die Kraft gut gereicht. Ab jetzt fuhr ich mit reduzierter Leistung. Und das merkte ich deutlich. Der Anstieg war eine ziemliche Quälerei und die Motivation war schwierig, zumal mittlerweile der Rücken ganz gut Probleme machte. 

Das gute allerdings: Der Weg war geteert und ließ sich somit angenehm fahren. Fast am Gipfel angekommen, kam die nächste Verpflegungsstelle. Hier hieß es wieder trinken, Brille säubern und bisschen Brot essen. Es ging immer noch weiter bergan, die Strecke führte nun aber über einen Trail. Anfangs ganz gut fahrbar wurde er immer steiniger. Einige Male musste ich absteigen und das Bike ein paar Meter tragen. Beim Blick nach rechts eröffnete sich als Belohnung ein traumhaftes Panorama auf die Schweizer Bergwelt. Ein bisschen konnte ich sogar genießen. 

Dann kam die ersehnte Abfahrt. Fast 900hm ging es hinunter, die Bremsen glühten wieder. Die Strecke schlängelte sich in Serpentinen hinunter nach Evoléne, dem letzten Ort vor dem Ziel! Jetzt waren es noch 40km! Das hieß auch: Der letzte Anstieg!!! Der letzte Anstieg? Nein. Erst ging es gut 400hm hinauf, dann folgte ein (schöner) Trail mit 200hm bergab...Schöner Trail in schöner Landschaft

Aber dann, der letzte Anstieg mit schlappen 1200hm. Und am Ende wartet die berühmte Schiebepassage der Grand Raid. Also nochmal bisschen motivieren und auf gehts. Na gut, die Kraft in den Beinen war so gut wie am Ende. Und der Rücken machte mittlerweile wirklich Probleme...Ich musste immer wieder anhalten und bisschen Dehnen. Dann ging es für einige Zeit wieder. Trotz allem reichte es noch, einige Fahrer, auch der kürzeren Strecken, am Berg zu überholen. 

Nach der Hälfte der SchiebepassageSchließich kam noch eine Verpflegungsstelle. War es bis hier her ein gut fahrbarer Weg, ging es nun über einen schlecht fahrbaren Trail weiter. Nach einigen Metern musste ich bereits absteigen und schieben. Dann wurde es wieder flacher. Doch vor mir sah ich sie nun: Die Schiebepassage! Eine Wand erhob sich vor mir, eine Schlange an Bikerns erblickte ich auf dem Weg. UND DA SOLL ICH NUN AUCH RAUF??? 240hm waren es noch bis zum Gipfel. Und das bei über 20% Steigung, das Bike schiebend. Gut eine halbe Stunde hab ich dafür gebraucht. 

Es war ein unglaublich tolles Gefühl, diesen Abschnitt geschafft zu haben! Leider war es nicht der letzte Gipfel. Also nochmal kurz an der Verpflegungsstelle bedient und los ging es in die kurze Abfahrt. Die letzten Höhenmeter waren nun eine ziemliche Quälerei. Aber nach 15min waren sie schon vorbei und es ging in die allerletzte Abfahrt. Die hatte es aber nochmal in sich: 1200hm bergab! Zunächst verlief die Strecke über einen holprigen Schotterweg mit wiederum vielen Serpentinen. Nach etwa der Hälfte eröffnete sich mir der Blick auf den Lac de Moiry. Was für ein tolles Panorama und erst die Farbe des Sees...Ein Traum. Da musste ich einfach anhalten und ein Foto machen ;-)

Ab der Staumauer des Sees wurde die Abfahrt heftiger. Auf dem Weg lagen Steine über Steine. Durch das Gerüttel schmerzten die Arme, Hände und Füße. Die Strecke führte weiter gleich viermal durch einen Bach, die Schuhe sollen ja noch schön nass werden. 

Lac de Moiry, was für eine Farbe!

Und dann kamen schon wieder Steine, Steine und noch mehr Steine. Das Bremsen fiel mir langsam schwerer, da einfach die Finger sehr weh taten. Nach einigen Kilometern besserte sich der Weg. Und dann sah ich es: DAS ZIEL!!! Nach 8h35m04s hatte ich es geschafft, 125km und 5025hm zu überwinden. Was für ein Gefühl, unbeschreiblich!

Trotz der teilweise ganz schönen Quälerei auf den letzten beiden Anstiegen, war es eine absolut geniale Erfahrung. 

 

  

Nicht nur die grandiose Landschaft, die langen Anstiege und Abfahrten sondern auch die vielen, vielen Menschen an der Strecke machen dieses Rennen zu einem super Erlebnis. Da sind alle Menschen in den Dörfern auf den Beinen, stehen an der Strecke und feuern dich, sogar mit Namen, an. Selbst am Ende der Schiebepassage auf fast 2800m Höhe waren Zuschauer und klatschten und feuerten an. Je mehr ich nun darauf zurück blicke, desto schöner fand ich es! Und ich werde sicher eines Tages wieder daran teilnehmen!

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